«Wie UX-Methoden mein Serious Game auf Erfolgskurs gebracht haben.»

«Wie UX-Methoden mein Serious Game auf Erfolgskurs gebracht haben.»
June 25, 2025 mahal
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🎹 Mein Eindruck: ➫ Das Piano im Proberaum ist verstimmt! Und zwar nicht nur heute, sondern auch direkt nach dem Besuch des Klavierstimmers.

Darauf hat meine Recherche begonnen – mit der Erkenntnis: Das Klavier ist immer verstimmt. Diese Verstimmtheit nennt sich Temperierung oder Temperatur und tönt für einige Ohren einfach falsch, vor allem in den Terzen. Diese, für mich späte, Erkenntnis hat einerseits meine Ohren geöffnet, andererseits habe ich gemerkt, dass dieses Wissen nicht allgemein bekannt ist.

Daraus entwickelte sich bei mir die Idee, eine App zu entwickeln, mit der ich Musikstücke als MIDI-Dateien in verschiedenen Intonationen abspielen kann, um zu vergleichen, wie ein Lied – auch im historischen Kontext – verschieden klingen kann.

Erster Prototyp: Interessant – aber nur für Musik-Nerds

Aus meinem persönlichen Bedürfnis, diese Erkenntnis zu vertiefen und auch zu teilen, habe ich mit der Programmierung begonnen. Ich dachte, das sei sicher interessant für viele andere, insbesondere Chorleiter*innen und Studierende von klassischer Musik. Wir haben einen Prototyp implementiert (Prototyp-2018) und dann aber bei der Evaluation herausgefunden, dass Idee und Konzept gut ankommen, aber die Bedienung schon viel zu viel musikalisches Vorwissen benötigt, um sinnvolle Vergleiche von Intonationen machen zu können.

🕹️ Mit UX-Methoden zu neuen Ansätzen

Zusammen mit meinen Partner*innen bei Raskin Apps, Cathrin Münchbach und Michael Rosewich, haben wir einen professionellen UX-Prozess begonnen.

Dieser beinhaltete:

  • Product Vision Workshop
  • User Journey Map (siehe Bilder unten)
  • Personas
  • User Interviews
  • Qualitative Umfrage
  • Contextual Inquiry
  • Crazy 8

Was das alles bedeutet: siehe «UX-Methoden: Links»

Dabei haben wir realisiert, dass die Funktionalitäten des ersten Prototyps aus meiner Faszination für die technologischen Möglichkeiten entstanden sind. Und ich habe in der Rolle als Produktmanager zu viele Annahmen über die Bedürfnisse meines Zielpublikums gemacht.

Es standen dann zwei Ansätze zur Diskussion:

Ansatz A: Spielen, verändern, intonieren.

  • User Interface wie im ersten Prototyp
  • Use Case: Vergleich von Intonationen
  • wenig Führung der Benutzenden
  • Content Produktion durch User und Community
  • viel Vorwissen nötig, kleine Zielgruppe
  • wenig Aufwand für Implementation

Ansatz B: Hören, bewerten, vergleichen.

  • vereinfachtes User Interface
  • starke Führung der Benutzenden
  • Content Produktion durch uns
  • Gamification
  • kein oder wenig Vorwissen nötig
  • aufwendige Produktion

🗑️ Den Ansatz A inklusive des fertig programmierten Prototyps haben wir verworfen. Dieser Ansatz richtete sich an Professor*innen für Alte Musik, an Chorleiter*innen und Musiker*innen mit Fokus auf Alte Musik und Barock. Sicherlich eine Nische. Es wurde klar, dass die App nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie ein breites Publikum erreichen wird. Das war für mich persönlich zwar schade, denn ich hatte bereits viele Tage an Design- und Programmierarbeit aufgewendet, so gut wie alles nun für die Tonne. Die App und deren Charakter mussten komplett neu gedacht werden. Interessanterweise aber passt die User Journey mit nur zwei minimalen Änderungen (siehe die zwei Zeichnungen zur User Journey).

Ansatz B bietet nun spielerische Möglichkeiten, die niederschwellig für Lai*innen und für Schüler*innen zugänglich sind. Für alle, welche sich für Musik interessieren.

Im Rahmen der weiteren Konzeption hatte ich die Gelegenheit, mich mit der Wirkungslogik #IOOI zu beschäftigen. Sie hat viele Gemeinsamkeiten mit den UX-Methoden. Im Vordergrund: Sich zuerst Gedanken machen über die Wirkung im gesellschaftlichen oder holistisch gedachten Geschäft. Was wollen wir erreichen? Und dabei habe ich gemerkt, dass die Wirkung sein soll: Zuhören, einander mit offenen Ohren begegnen, Musik hören und fühlen und Selbstvertrauen gewinnen. Das bedeutet für meine App, dass sie sich auf das Ohr fokussieren und möglichst ohne Musiknoten oder andere visuelle Hilfsmittel auskommen soll.

🩵 Fazit 🩵

  • Annahmen der Produktmanager*innen sind nicht einfach gegeben
  • hinterfragen und analysieren
  • UX-Prozess hilft, das Produkt zu verstehen
  • Zielgruppe in der Konzeption fokussiert angehen

Mit dem neuen Konzept konnte ich ein Team zusammenstellen, über 30 Präsentationen halten und nun breite Unterstützung gewinnen. So sind das Konservatorium Winterthur, verschiedene Chöre, Ensembles und Consorts mit dabei, auch die Schule Cantaleum und ein starkes Team für die Verbreitung und Produktion von Werckmeister.

🎶 Eine perfekte Intonation ist fast nicht erreichbar. Wird jedoch in der Probe ein gemeinsames Verständnis erarbeitet, können Gefühle besser transportiert werden. Und dieses Verständnis funktioniert nur über die Ohren. #letslisten

🧑‍🎤 Warst du auch schon in der Situation, dass die Produktmanager*innen zu stark durch ihre eigenen Interessen abgelenkt waren? Oder dass eine Software zu stark durch die technischen Möglichkeiten statt durch die tatsächlichen Bedürfnisse der Benutzenden geprägt war?

Bist du selber Produktmanager*in oder betreust ein Software-Projekt? Interessierst du dich für Musik oder Wirkungslogik? Freue mich über dein Feedback, direkt per E-Mail oder unten am LinkedIn-Beitrag.

 

 

 

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